Erschöpfter Mann am Bettrand.

In schweren Zeiten Kraft schöpfen

Es kann schwer sein, nach Schicksalsschlägen oder bei anderen großen Herausforderungen wieder in die eigene Mitte zu finden. Es ist wichtig dabei zu erkennen, dass jeder anders ist und eine individuelle Strategie braucht

Wolfgang Obendrauf arbeitet mit Menschen, die ein Trauma erlebt haben oder gerade etwas durchmachen, das sie sehr belastet. Das können Trennungen, Beziehungskrisen, Ängste, Schuldgefühle, Erschöpfung oder Mobbing sein. Es gibt viele Ereignisse, die Krisen auslösen können: „Für viele Männer eine besondere Herausforderung. Denn sie haben gelernt, immer stark sein zu müssen“, konnte Wolfgang Obendrauf beobachten. Hilfsbedürftigkeit und Überforderung werden als „unmännlich“ wahrgenommen.

Viele Frauen haben gelernt, sich besser sozial zu vernetzen. Sie nutzen ihre Kontakte, um sich auszusprechen oder Hilfe zu suchen. „Männer sind meist bestrebt, sich selbst zu helfen. Sie lenken sich häufig ab, in dem sie sich in Aufgaben stürzen und versuchen weiter zu funktionieren.“

In einem Beratungsgespräch versucht der Experte zuerst, Vertrauen aufzubauen und zuzuhören, ohne zu beurteilen oder zu kritisieren. Zu vereinnahmende Männlichkeitsanforderungen sollen erkannt werden. „Viele Männer tun sich schwer, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse bewusst wahrzunehmen und eine Sprache dafür zu finden, um sich mitteilen zu können. Was brauche ich jetzt? Wie habe ich in der Vergangenheit Krisen erfolgreich bewältigt? Diese Fragen gilt es, zu beantworten.

Männliche Freunde seien dann jedoch mit solcher Art Aussprachen häufig überfordert: „Sie haben gelernt, immer sofort Lösungen liefern zu müssen – die gibt es aber im Moment vielleicht gar nicht.“ Menschen in belastenden Lebensphasen würden primär jemanden brauchen, der sie versteht – ihnen Mut macht, das Gefühl gibt, nicht allein dazustehen. Obendrauf: „Es geht oft auch darum, gemeinsam Schmerz und Trauer auszuhalten. Das Bewusstsein zu vermitteln, dass dieser Zustand, ihre Männlichkeit nicht in Frage stellt und sich wieder verändern wird“.

In einem nächsten Schritt gilt es, sich wieder als handlungsfähig zu erleben und jene Ressourcen zu nutzen, die zur Verfügung stehen. Das können Eltern oder Freunde sein, die Natur, der Glaube, der Beruf, die Liebe zu den Kindern, zu der Partnerin oder dem Partner. Der Berater dazu: „Dieser Prozess erfordert Zeit. Doch dann sollte man sich wieder öffnen und für neue Erfahrungen bereit sein: das Glück wieder einladen.“

Besonders in Krisensituationen können Gespräche mit neutralen Expertinnen und Experten sehr hilfreich sein: Wenden Sie sich an eine österreichische Familienberatungsstelle. Dort können Sie kostenlos einen Termin vereinbaren und über Ihre Sorgen in einem geschützten Rahmen sprechen.

Unser Interviewpartner

Wolfgang Obendrauf ist diplomierter, systemischer Lebens-, Sozial-, Ehe-, Familien- und zertifizierter Sexualberater (Österreichische Gesellschaft für Sexualforschung) in der Männerberatung Graz.

Männerberatung Graz
Dietrichsteinplatz 15, 1. Stock
8010 Graz

Webseite der Männerberatung Graz

Das Interview wurde im Mai 2023 geführt.

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