Wir erwarten ein Kind – wer gibt die Karriere auf?
„Ich beobachte in meinen Beratungssituationen einen häufigen Fehler: Zu oft wird bei der Familiengründung noch immer vorausgesetzt, dass die Frau längere Zeit zuhause bleibt. Sie selbst stellt sich das allerdings oft anders vor“, so Jasmin Wärter. Der Vorteil der vielen Möglichkeiten zur Kinderbetreuung, die es mittlerweile gibt, sei es, dass Paare individuell entscheiden können. Der Nachteil: Der Organisationsaufwand steigt und es muss mehr abgesprochen werden. „Ich beobachte – vor allem wenn es um die weitere Karriere geht – dass viele Ängste bestehen. Ob diese berechtigt sind, hängt natürlich auch vom Arbeitgeber ab. Dies ist in einem offenen Mitarbeiter/innen-Gespräch zu klären.“
Wichtig sei jedenfalls den Männern nahezulegen, so viel Zeit wie möglich mit ihren Kindern zu verbringen und die Frauen ebenfalls zu ermutigen, ihre Männer einzubinden und ihnen mehr zuzutrauen. Die Wissenschaft habe mehrfach bewiesen, dass dies für die Bindung enorm wichtig ist. Dies äußert sich sogar hormonell, da bei Männern ab der Vaterschaft das Testosteron sinkt und der Oxytocin-Spiegel steigt.
Das Wichtigste ist laut Wärter, sich möglichst früh ein gutes Grundgerüst zurechtzulegen. So bekommen die werdenden Eltern Sicherheit. Also etwa zu recherchieren, welche Betreuungsmöglichkeiten öffentlich zur Verfügung stehen, wer im familiären Netzwerk unterstützen kann und auch genau darüber zu sprechen, wann wer zuhause bleiben wird. „Zumindest in der Theorie – oft kommt es dann in der Praxis, sobald das Kind da ist, ohnehin ganz anders.“, weiß Harrer.
Wenn eine Einigung schwerfällt, kann ein Visualisierungs-Board helfen: „Sammeln Sie Wünsche und Vorstellungen, alles, was dem Paar einfällt. Falls kein Konsens möglich ist, gibt es meistens eine Kompromisslösung.“
Ein weiterer Rat der Expertin: „Bei diesem Thema wollen einige im Umfeld ihre Meinung kundtun, vielleicht sogar mitbestimmen. Die Doppelmoral in unserer Gesellschaft, die Karriere ja nicht aus den Augen zu verlieren und gleichzeitig so wenig Fremdbetreuung wie möglich in Anspruch zu nehmen, kann ebenfalls verunsichern. Selektieren Sie die für Sie brauchbaren Ratschläge aus, treffen Sie Entscheidungen gemeinsam als Paar bzw. werdende Eltern und denken Sie immer daran: Es ist Ihr Leben- Sie sind der/die Expert/in!“
Wenden Sie sich gerne mit diesem Thema kostenfrei an eine österreichische Familienberatungsstelle.
Unsere Interviewpartnerin
Jasmin Wärter ist Diplomierte Ehe-, Familien- u. Lebensberaterin im Team AUFLEBEN mit den Schwerpunkten Paarberatung, Beratung betreffend Berufsleben und Burnout-Prävention.
AUFLEBEN Ehe-, Familien- und Lebensberatung
Kreuzgasse 43
1180 Wien
Webseite von Aufleben
Das Interview wurde im Februar 2023 durchgeführt.