Junge Frau telefoniert und weint. Ein Baby spielt in einer Sandkiste.

Retraumatisierung durch den Ukraine Krieg

Sonja Mille beobachtet seit dem Beginn der Berichterstattungen zum Ukraine Krieg, dass Personen, die ähnliche Geschehnisse erfahren haben, von den früheren Ereignissen wieder eingeholt werden. Zum Beispiel bei Vertriebenen aus dem ehemaligen Jugoslawien oder Geflüchtete des Syrien-Krieges.

„Man spricht hier von einer sogenannten Reaktivierung eines alten Traumas. Die Bilder in den Medien wirken wie Trigger, also Auslöser, welche die eigenen Kriegserlebnisse und schreckliche Erinnerungen wiederaufleben lassen.“ Es können dadurch die gleichen Gefühle, wie Angst, Panik und Hilflosigkeit, die zum Beispiel bei der eigenen Kriegs- oder Fluchtgeschichte aufgetreten sind, wieder sehr real werden.

Um noch genauer verstehen zu können, was das bedeutet, definiert die Expertin den Trauma-Begriff: „Ein Trauma ist ein Ereignis, das die Betroffenen mit dem Tod oder psychischen oder physischen Verletzungen der eignen oder auch anderer Personen konfrontiert. Dies führt zu Panik, Furcht, Hilflosigkeit.“ In weiterer Folge könne dann eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) folgen. Eine psychische Erkrankung, die einem das Gefühl ständiger Bedrohung vermittelt.  Symptome einer PTBS sind zum Beispiel aufdrängende, schmerzliche Erinnerungen, Herzrasen, Schreckhaftigkeit, belastende Träume, Erstarrungszustände, oder Reizbarkeit.

„In der Beratung achten wir genau auf den Zustand der Person. Wir geben den Klient/innen zuerst den Raum zu erzählen. Dann können wir erkennen, wie bedrohlich die Situation ist und ob stabilisierende Gespräche ausreichend helfen“, so Mille. „Wenn Symptome, wie oben beschrieben, auftreten, empfehlen bzw. vermitteln wir eine Psychotherapie.“
Wichtig sei, das Gefühl der Sicherheit zu vermitteln und den Bezug zur Gegenwart herzustellen. Dabei wird besprochen, wie groß die derzeitige Bedrohung wirklich ist.
„Man kann dabei auch ein Mantra wie ‚Jetzt bin ich sicher‘ laufend wiederholen.“
Es wirkt meistens schon entlastend, wenn man vermitteln kann, dass diese Gefühle vollkommen normal auf ein traumatisches Erlebnis sind.

Wer in der Familie eine Person hat, die durch den Ukraine Krieg (re)traumatisiert wirkt, kann sich an eine der österreichischen Familienberatungsstellen wenden. Die Termine mit Expert/innen können kostenfrei in Anspruch genommen werden.

Unsere Interviewpartnerin

Sonja Mille ist Diplomierte Ehe-, Familien- und Lebensberaterin der Beratungsstelle Frauentreffpunkt Mostviertel in Amstetten.

Frauenberatung Mostviertel
Hauptplatz 21
3300 Amstetten
Webseite Familienberatungsstelle Frauenberatung Mostviertel

Das Interview wurde im April 2022 geführt.

Seite wechseln Webseite verlassen